Dirigenten
100 Jahre Chorarbeit – Erinnerungen an die Chorleiter
Die Geschichte des Chores beginnt im Winter 1920/21. Er wird durch Seminarmusiklehrer Wilhelm Oetzmann gegründet, dessen Namen er zunächst auch trug.
In den 1920er Jahren entstanden in Deutschland viele weltliche Chorgemeinschaften, die ganz im Sinne der Singbewegung des frühen 20. Jahrhunderts im Gesang die natürliche Basis allen Musizierens sahen.
Dieser Bezug zum Natürlichen, Einfachen spiegelte sich einerseits in der besonderen Pflege der Hausmusik wider, andererseits in der Wahl des Repertoires, das sich mehr und mehr wieder der alten Musik zuwandte.
In diesem Geist entstand auch der Madrigalchor Recklinghausen. Sein erstes Konzert veranstaltete der Chor unter der Leitung seines Gründers Wilhelm Oetzmann am 30. Oktober 1921 in der Aula des heutigen Freiherrvom-Stein-Gymnasiums Recklinghausen.
1929 – 1945 Hans Boeke
1945 übernahm Erich Hausberg die schwere Aufgabe, den Madrigalchor inmitten des allgemeinen Zusammenbruchs wiederaufzubauen. Bereits im Juli und August des Jahres fanden sich ehemalige Mitglieder zu einer Probe zusammen. In welchen Räumen sollte bzw. konnte man singen? Viele Gebäude in der Stadt waren zerstört.
Bei der Suche nach einem geeigneten Raum kam eine Sängerin des Chores zu Hilfe. Sie war die Dolmetscherin beim britischen Stadtkommandanten mit Sitz im nur unwesentlich beschädigten Rathaus. Sie vermittelte, dass die Probenarbeit des Chores in einem Nebenraum des Rathauses stattfinden konnte.
Bereits am 14. Dezember 1945 fand das erste Konzert nach dem Krieg im Rathaus der Stadt Recklinghausen statt, interessanterweise unter dem Portrait des britischen Königs im Rathaussaal. Das Konzert war ein Adventssingen – Beginn einer jahrzehntelangen Tradition, denn diese Konzerte zur Weihnachtszeit werden bis in das nächste Jahrhundert ihren Platz in der Recklinghäuser Musiklandschaft behalten.
Mit diesem Konzert begann nicht nur der „Wiederaufbau“ des Chores, dessen Mitgliederzahl in den frühen 50er Jahren 37 Sängerinnen und Sänger erreichte, sondern auch eine überaus erfolgreiche „Ära Hausberg“, die bis 1979 andauerte.
In diese Zeit fiel eine Reihe wichtiger Konzerte, von denen u. a. zu nennen sind:
- das Jubiläumskonzert aus Anlass des 30-jährigen Bestehens des Chores am 12. Oktober 1950
- die Veranstaltungen zum 50. Geburtstag des Chores
- die Teilnahme des Madrigalchores an den Städtischen Chorkonzerten
Bachabende des Madrigalchores – Wertvoller Zuwachs für die städtischen Konzerte fand dankbare Zuhörer
RECKLINGHAUSEN. Diese Abende zeugten mit besonderer Eindringlichkeit von frischen Impulsen im Konzertleben der Ruhrfestspielstadt. Die BesucherÜberfülle in der Aula des Petrinums und akustische Rücksichten drängten die Frage auf, warum in aller Welt nicht im Saalbau musiziert wurde? Der Wiederholung am Montag in der Süder Berufsschulaula darf man die Bedeutung eines aufschlußreichen Testes zuschreiben. Beide Male stellte sich die schon lange fällige Aufnahme des Madrigalchores in die Reihe der städtischen Chorkonzerte als glücklicher Griff heraus…
(WAZ, 28.10.1958)
16.12.1952
Als Nachfolger von Erich Hausberg konnte Peter Grave gefunden werden. Er führte erfolgreich den zunächst langsam, später deutlich wachsenden Chor in kontinuierlicher Arbeit an anspruchvolle Chorliteratur heran. An „großen“ Aufführungen sind neben dem Konzert zum 60jährigen Bestehen des Chores (1980) die „Weih-nachtshistorie“ von Schütz (1986), Haydns „Theresienmesse“ (1988) in der Recklinghäuser Petruskirche und der Hertener Antoniuskirche (1989) sowie Konzerte im Rahmen der Hertener Kirchenmusiktage in bleibender Erinnerung. Peter Grave blieb bis 1992 Chorleiter.
Verabschiedung von Peter Grave am 30. März 1992
(Recklinghäuser Zeitung, 1.4.1992)
Nach Thomas Berning (1992 – 1994) übernahm Wolfgang Rusch 1995 für fünf Jahre die Leitung des Chores und bereitete ihn auf das noch im selben Jahr stattfindende Konzert zum 75. Geburtstag des Chores vor. Das Jubiläumskonzert fand am 27. Oktober 1995 in der Christuskirche in Recklinghausen statt. Dank der Initiative von Wolfgang Rusch konnten zahlreiche neue, vor allem jüngere Mitglieder für den Chor gewonnen werden. Er war es auch, der mit den „Vestival Voices“ nicht nur, aber besonders die jüngeren Sängerinnen und Sänger für Stücke aus der Jazz- und Popmusik begeisterte. So wurde es möglich, mit Einstudierungen für Konzertprogramme wie „Musikalische Kontraste – Von Madrigal bis Jazz“ oder „Alte Klänge – Neue Wege“ das bisher überwiegend traditionelle Chorrepertoire zu erweitern.
Höhepunkte der Tätigkeit von Wolfgang Rusch waren 1999 „Abschied und Neubeginn“ mit Chormusik, Harfenklang und VocalJazz als Benefizkonzert zugunsten der UNICEFKosovohilfe sowie die Konzerte mit dem „Weihnachtsoratorium“ von J. S. Bach und 1998 die CD-Produktion dieses Werkes. 1997
Da Wolfgang Rusch den Chor neben seinem Hauptberuf leitete, waren es berufliche Gründe, die ihn veranlassten, die Leitung des Chores niederzulegen. Das große Abschlusskonzert mit ihm fand im März 2000 mit der Aufführung von „Die Erste Walpurgisnacht“ von F. Mendelssohn-Bartholdy mit der Neuen Philharmonie Westfalen im Saal Kassiopeia des Ruhrfestspielhauses statt.
Frühlingskonzert mit glanzvoller Darbietung Madrigalchor und Orchester begeistert gefeiert
Mit dieser Ode an den Frühling bescherte sich Wolfgang Rusch einen stimmungsvollen Abschied vom Recklinghäuser Madrigalchor. Der Dirigent konnte sich am Sonntagabend auf eine hochmotivierte Sangesgemeinschaft und ein munter musizierendes Orchester verlassen. …
(WAZ, 21.03.2000)
Wolfgang Rusch im Kreise seines Chores 1997 bei einem Probenwochenende
„Schon bei den ersten Aufwärmübungen und beim Einsingen möchte man mitmachen. Das mitreißende Dirigat von Lucius Rühl „beamt“ seine 40 Sängerinnen und Sänger in null Komma nichts aus der Alltagshektik in die Konzentration. … Dem geschulten Gehör des Chorleiters entgeht kein falscher Ton. Nicht umsonst ist der sehr saubere harmonische Gesang eine der Stärken seines Chores. Und nicht umsonst bescheinigen international erfolgreiche Musiker den Recklinghäuser Sängerinnen und Sängern eine herausragende Qualität.“ „Wie viele andere schätzt der erste Vorsitzende (Norbert Dohms) die Abwechslung mit einem Repertoire, das vom A-capella-Madrigal über barocke Kantaten bis zum groovenden Jazz-Song reicht. Ganz bewusst sucht Lucius Rühl die Herausforderung, traut sich mit seinem Chor immer wieder an selten aufgeführte Werke…“
(aus einem Bericht der Recklinghäuser Zeitung vom 12.11.2013 / Tina Brambrink)
… „Die Probenarbeit mit ihm stellt hohe Anforderungen an die Chormitglieder. Stimmlich ist er so versiert, dass er viele Stellen vorsingt und die Sängerinnen und Sänger zum Nachahmen auffordert. Sein pianistisches Können unterstützt, wenn nötig, im Wechsel mit A-cappella-Gesang. Bei der Intonation lässt er keine Nachlässigkeiten zu. Und es ist ihm unbegreiflich, wenn die Sängerinnen und Sänger nicht den nötigen Sinn für den exakten Rhythmus zeigen! Er fordert den Chor mit anspruchsvollen Programmen und hat uns dazu gebracht, vieles vom Blatt zu singen. Neben dem Erlernen steht das Erreichen des musikalischen Ausdrucks an vorderster Stelle, wobei er uns die Gestaltung durch den Komponisten verständlich machen und nahebringen möchte. Da fallen auch viele Fachtermini, wodurch man als Chorsänger schon so einiges gelernt hat. Und in jedem Fall steckt seine Begeisterung für die Musik an! Dazu
kommt die freundschaftliche und zugewandte persönliche Beziehung, die zwischen Chorleiter und Sängerinnen und Sängern entstanden ist. Auch bei unseren gemeinschaftlichen Ausflügen und Events ist Lucius selbstverständlich dabei. Zahlreiche Konzerte mit vielfältigem Repertoire konnten so in den zwanzig Jahren erfolgreich durchgeführt werden, zum Beispiel die „Johannes-Passion“ von J. S. Bach (2013), das „Requiem“ von Gabriel Fauré (2014) und der „Messiah“ von G. F. Händel (2016). Der Name unseres Chores unter der Leitung von Lucius Rühl wurde eine anerkannte Marke in Recklinghausen.
Wir bedanken uns für die gute und erfolgreiche Zusammenarbeit!“
Karla Borsetti-Edler, aus dem Beitrag zur Festschrift „100 Jahre Madrigalchor/Kammerchor Recklinghausen“